Landschaft, Zeichen, Farbe
Laudatio zur Eröffnung der Ausstellung von Marianne Gielen am 22. April 2013 im Ministerium für Wirtschaft und Europaangelegenheiten in Potsdam

Mit Landschaft verbinden sich die unterschiedlichsten Vorstellungen. Bitte prüfen Sie sich einmal selbst. Sie werden feststellen, wie sehr Ihre inneren Bilder von Landschaft vom eigenen Erleben, von Gefühlen und Erfahrungen, ja vom Zusammensein mit Menschen bestimmt sind. Unsere Bilder von Landschaft und auch unsere Vorstellung von Landschaft muss so verschieden sein wie wir Menschen selbst. Nicht anders ist es bei Marianne Gielen.

Wir erleben in dieser Ausstellung ihre ganz individuelle bildnerische Auffassung von Landschaft. Beispielsweise ihre Interpretation eines Urstromtals als prähistorisch geformtem Gebiet hat mit Abbildhaftigkeit nichts zu tun. Darum geht es ihr nicht. Ihr Anliegen ist anders intendiert. Die sie künstlerisch treibende Motivation leitet sich eher von der Frage her, wie es gelingen kann, das Grundgefühl zu einer Landschaft bzw. gegenüber einem Kulturraum mit seinen Menschen aus der Unendlichkeit sinnlich-komplexer Eindrücke – des Sehens, Hörens, Riechens, Schmeckens und Fühlens – als verdichtete Erfahrung in Farbe und Form bildhaft zu übersetzen. Ihr Interesse ist auf die Kraftfelder gerichtet, die Orte ausmachen. Sie interessiert sich für die Lebenskraft, die eine Landschaft verströmt und sucht, diese auszudrücken.

Wie dies nun Eingang findet in die künstlerische Äußerung, folgt eigenen Prägungen. Ihre Art zu arbeiten, ihr künstlerischer Gestus atmet Einflüsse einer nonfigurativen, vom konkreten Subjekt befreiten Kunstentwicklung, wie sie in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts von Westeuropa und Nordamerika ausging. Abstrakter Expressionismus, Tachismus, vielleicht auch Einflüsse einzelner Künstlerpersönlichkeiten wie Jean Dubuffet, Walter Stöhrer oder Per Kirkeby mögen inspirierend gewesen sein und haben im Laufe ihres Schaffens zu jener für Marianne Gielen charakteristisch gewordenen Bildsprache geführt, die Sie für die nächsten Wochen in diesem Haus umgeben wird.

Ich möchte Sie mit der in Potsdam lebenden Künstlerin und ihren Arbeiten nun etwas näher bekannt machen. In den 80er Jahren entschloss sich die aus dem Elsass stammende studierte Juristin ihrem Leben eine andere Richtung zu geben. An der HdK Berlin studierte sie Malerei und später noch, als aus der HdK die UdK geworden war, „Kunst im Kontext“. Seitdem ist sie fast ausschließlich in Sachen Kunst unterwegs. Seit Jahren engagiert sie sich in verschiedenen Gremien und Funktionen für die Belange von Künstlerinnen und Künstlern. Zu nennen sind der BBK und die IGBK. In Potsdam war sie bis vor Kurzem viele Jahre Vorsitzende des Brandenburgischen Verbandes Bildender Künstlerinnen und Künstler.

Ein wichtiger Aspekt für den Zugang zu Marianne Gielens Malerei ist ihr Unterwegssein, und das durchaus im übertragenen Sinn. Zahlreiche Stipendien und Studienreisen führten sie in den letzten zwei Jahrzehnten in die USA, die Türkei, in verschiedene skandinavische und baltische Länder, nach Spanien, ins afrikanische Mali, nach Japan, Indien, Südkorea, China und zuletzt erneut nach Russland, diesmal in die Weite Sibiriens.

Die kulturellen Traditionen und künstlerischen Arbeitsweisen, denen sie bei ihren Reisen rund um den Globus begegnet, nimmt sie offen und unvoreingenommen auf höchst vitale Weise auf. Sie setzt sich intensiv mit ihren Wahrnehmungen auseinander und verarbeitet die gewonnenen Eindrücke in unzähligen bildhaften Äußerungen. Von den seit dem Sommer des letzten Jahres entstandenen Leinwandbildern und Arbeiten auf Papier hat Marianne Gielen nun für diese Ausstellung eine Auswahl getroffen.