Annäherung an eine Königin

Die Ausstellung „Faktor L“ in der Galerie M erkundet andere Perspektiven auf den Mythos Luise.

POTSDAM / INNENSTADT – Das Leben der 1810 im Alter von 34 Jahren gestorbenen Preußenkönigin Luise bietet bis heute genügend Potenzial, den Mythos weiterzuweben und anstelle einer kritischen Geschichtsschreibung das bewährte Muster von Weiblichkeit, Schönheit und Macht zu setzen. Das Ausstellungsprojekt „Faktor L – Die andere Ordnung der Dinge“ ist angetreten, die Mythen einmal gehörig durcheinander zu wirbeln und die Mythosbildung um Königin Luise zu hinterfragen. Die Schau mit Beiträgen von 35 Künstlern wurde am Donnerstagabend in der Produzentengalerie M eröffnet.

Ausgangspunkt war ein Zitat aus einem der Königin zugeschriebenen Brief an ihren Vater von 1808: „Es soll eine andere Ordnung der Dinge werden, da die alte sich überlebt hat und in sich selbst als abgestorben zusammenstürzt.“ Bewusst wurde für die Ausstellung ein Ort gewählt, der zwar den Namen der Königin trägt, aber keinen geschichtlichen Bezug zu ihr hat. Mit unterschiedlichen Ausstellungsorten im Luisenforum – der Galerie M, einem Container mit Lichtinstallationen sowie einem leeren Raum – wird einmal mehr deutlich, dass öffentliche Räume in Potsdam ihrerseits zu Museen werden, in denen der Tourist wandeln, der Potsdamer aber kaum noch Lebendigkeit erleben kann. Gleich den Mythen um Königin Luise ist auch die Stadtgestaltung in Potsdam nicht auf Neuordnung der Dinge, sondern auf eine Musealisierung angelegt, die freien Kunstprojekten kaum Räume lässt. Ist die Grundidee der Ausstellungsmacher Andrea Böning, Carsten Hensel und Ilse Winckler durchaus überzeugend, ist es die Umsetzung leider weniger. Der in der Galerie als „Labor Luise“ installierte Ausstellungs- und Arbeitsraum funktioniert als Aktions-, aber nicht als Ausstellungsraum. Gemeinsam ist den ausgestellten Arbeiten die Form: auf einfachem Papier, ohne Rahmung und Titel sind die Arbeiten an die Wand gepinnt. Und hierin liegt das Problem: So unübersichtlich wie eine Pinnwand wirkt auch die Ausstellung. Ein Ordnungsprinzip ist nicht zu erkennen. Die von den einzelnen KünstlerInnen gestalteten Collagen, Zeichnungen, Drucke, Fotografien stehen beziehungslos nebeneinander. Obwohl vielleicht gerade darin die gewollte andere Ordnung der Dinge liegen soll, erschließt sich dies für den Besucher nur schwer.

Was funktioniert, ist die Aktion. Bereits nach zwei Stunden füllt sich eine freie weiße Wand mit neuen Collagen. Die Besucher der Ausstellung entwerfen ihre Perspektiven auf das Thema Luise, indem sie aus den ausgestellten Werken, die als Kopien zur Verfügung stehen, Neues gestalten. Was im gegenwärtigen Stadtentwicklungsprozess kaum noch gegeben scheint, wird hier umgesetzt: Ein künstlerischer Prozess der Beteiligung, der nicht auf historische Wiederherstellung, sondern neue Ordnungen angelegt ist.

Ulli Wittig