|
Zeitgeist
Die sieben Vorsitzenden des BVBK präsentieren in der Galerie „M“
eigene und fremde Arbeiten
Was können gut 20 Werke über 20 Jahre Nachwendegeschichte
erzählen? Sicher nicht viel. Der Brandenburgische Verband
Bildender Künstler (BVBK) wagte dennoch diesen Schritt zurück in
seine eigene 20-jährige Vergangenheit und hatte die durchaus
interessante Idee, seine bisherigen sieben Vorsitzenden zu
„Worte“ kommen zu lassen.
Bis zu drei Arbeiten durfte jeder in die am Donnerstagabend in
der Produzentengalerie „M“ eröffnete Ausstellung „Zeitgeist“
einbringen: eigene und die ihm wichtiger Künstler, die die
jeweilige Amtszeit charakterisieren. Diese Eingrenzung, die
angesichts der kleinen Galerieräume des Verbandes gar nicht
anders möglich war, ist auch der Hinkefuß. Was dem
Potsdam-Museum in Kooperation mit der Galerie Ruhnke auf viel
größerer Fläche assoziationsreich mit der DDR-Replik „Freiheit
der Idee. 7 mal Kunst vor 89“ in diesem Jahr gelang, ist in der
Galerie „M“ nur ein grobmaschiges Netz, das über die Zeit nach
89 mit ihren unterschiedlichen Verbandsperioden geworfen wurde.
Um so wichtiger ist das Begleitheft, in dem die Vorsitzenden
kritisch und mit schwungvoller Feder ihr Tun und Lassen
parlieren. Während Friedrich Stachat über die Zeit von 1990 bis
1993 noch sagen konnte: „Anfangen ist leicht“ und mit seinem
sinkenden Würfel den Untergang der DDR symbolisch feiert, klagt
Bernd Chmura zehn Jahre später mit dem Brecht-Zitat: „Die Mühen
der Gebirge liegen hinter uns – vor uns liegen die Mühen der
Ebene.“ Er erinnert sich daran, wie sich die
himmelhochjauchzende Demokratie schwer an den finanziellen
Fußfesseln schleppte. „Die Futtertröge der Fördertöpfe waren und
sind dicht umlagert.“ Sein Bild „Arithomanie“ erzählt wohl auch
von diesem verwirrend-beängstigenden Zahlensalat, mit dem er
sich herumzuschlagen hatte, um Projekte durchzuboxen. Immerhin
vollbrachte er es in seiner Führungsära, dass die
Produzentengalerie „M“, damals noch im Holländischen Viertel,
eröffnet werden konnte.
Eigentlich kann sich jeder Vorsitzende eine Blume für sein
Engagement ans Revers heften. Lothar Krone gelang zum Beispiel
das Kunststück, 1995 im ausgebauten Kunstspeicher die erste
Landeskunstausstellung der Nachkriegszeit zu veranstalten, die
zwei Jahre später in Cottbus ihre Wiederholung fand. Seitdem
wünschen sich Kollegen eine Neuauflage, was aber am Geld
scheitere, wie es bei der Eröffnung hieß.
Peter Rohn machte sich in den Jahren 1997 bis 1999 für die
Panzerhalle in Groß Glienicke als Gemeinschaftsatelier stark,
wie ihm überhaupt alte Immobilien am Herz liegen. Sein Bild
„Fabrik am Fluss“ zeigt eine dunkle Gestalt mit großer Pranke,
die nach einem spektakulären Wassergrundstück greift. Man ahnt,
dass das bunte Treiben auf der Brache bald ein Ende haben wird.
So wie er seine Amtszeit mit dem Wort „konfliktreich“
überschreibt, erinnert sich auch Matthias Görnandt an eine
aufreibende Verbandsarbeit „mit sensiblen, manchmal aber auch
unerwartet eingeschnappten Künstlern“ und so floh er zwei Jahre
später bereits wieder von seinem Chefsessel. Immerhin brachte er
in dieser Zeit die „Märkischen Wandlungen“ ins Alte Rathaus –
eine künstlerische Bestandsaufnahme nach vielen Jahren der
Unsicherheit. Er selbst verfolgte in der Zeit ein Projekt im
Babelsberger Park, das die einstige Mauer in kreativer
Ausformung markieren sollte. Ein Vorhaben, das wenigstens von
Studenten aufgegriffen wurde und in einer Ausstellung mündete.
Allerdings weit entfernt vom Mauerverlauf: auf dem Campus der
Universität Potsdam. Seine Entwürfe mit bunten Luftballon-Ketten
und einer „Rosenlaube“ aus Grenzzaun sollten indes nicht in der
Schublade enden. „Misstraue der Idylle“ ist noch immer angesagt.
Rose Schulze schaffte es immerhin, einen Skulpturen-Park am
Schloss Liebenberg anzulegen. 50 Arbeiten ihrer Kollegen sollten
dort ihren Platz einnehmen. Doch die neuen Schlossherren hatten
mit Kunst wenig am Hut und walzten das Projekt platt. Das Modell
für drei Stelen von Joachim Karbe, den Rose Schulze als
Mitstreiter in Liebenberg an ihrer Seite hatte und den sie jetzt
auch in die Ausstellung holte, zeugt von den aufstrebenden
Ideen. Die schlanken Stelen mit den Narben korrespondieren im
zarten Grau bestens zu Schulzes eigener „Gletscher“-Schmelze.
Und sie leiten auch über zu den wild pulsierenden Arbeiten der
jetzigen Verbandschefin Marianne Gielen, der der Kontakt zum
Ausland besonders am Herzen liegt. So zeigt sie Bilder von einem
Pleinair in Polen, die sie erneut als farbenfreudige Frohnatur
ausweisen.
Auch wenn der ehrenamtliche Posten des Vorsitzenden
offensichtlich ein Schleudersitz ist, den alle nach relativ
kurzer Zeit wieder verlassen, konnte der Verband insgesamt seine
Stabilität ausbauen. Von den rund 1000 Künstlern in Brandenburg
sind 270 in ihm organisiert, fast doppelt so viele wie vor 20
Jahren. Vor allem die ART Brandenburg animiert zum Beitritt, ist
er doch eine vergünstigte Eintrittskarte für die Künstlermesse.
„Allerdings sind nur sechs Prozent der Verbandsmitglieder unter
40 Jahre. Das zeigt, dass es bestimmte Aufgaben gibt“, sagte die
Referatsleiterin für Bildende Kunst des Kulturministeriums,
Karin Melzer. Sie hielt zur Vernissage den Finanzklagen der
Künstler entgegen, dass die Landesförderung relativ stabil
geblieben sei, in diesem Jahr sogar etwas anstieg.
„Blatt für Blatt“ nannte Lothar Krone sein Bild für die
Retrospektive. Und so vielschichtig wie dieses 1997 enstandene
Herbstflimmern sind auch die Handschriften der Ausstellung, auch
wenn sie nur einen Fingerabdruck von den Künstlern und ihrer
Zeit preisgeben.
Heidi Jäger
|