Was vom Hummer übrig bleibt

Viel Zeit zum Anschauen mitzubringen war in letzter Zeit nicht immer
notwendig bei den Ausstellungen in der Produzentengalerie des Brandenburgischen Künstlerverbandes.


Allzu spartanisch war das Angebot, und das nicht nur in der Anzahl der Objekte.
Doch diesmal braucht man Zeit, diesmal lohnt die, Wände und Raum füllende Präsentation an Malerei auf Leinwand und Papier, an Grafik mit Farbstift und Graphit, an Fotografie und nicht zuletzt an Objekten und Skulpturen aus Tierhaut, Textilmix, Holz und Beton. Wer Stillleben ausstellt, spricht nicht nur das Auge an. Die Geschmacksnerven lassen sich nicht abschalten. Wem zieht sich nicht der Mund zusammen, wenn er die schier vor Reife platzenden Zitronen auf Klaus-D. Fahlbuschs Fotografie „Zitronen auf dem Markt von Yerewan“ sieht. Den alltäglichen Geschmack weniger ansprechende Motive sind künstlerisch stärker abstrahiert. Alexandra Weidmann lässt Küchenschaben farbig erblühen. In ähnlichen Grüntönen
reiht Ursula Heermann-Jensen in penetranter Ordentlichkeit Gummibärchen auf den Bildgrund. Rainer Ehrt dokumentiert auf einer Art Lehrtafel das, „was vom Hummer übrig bleibt“. Den Spieß dreht Sybille Junge um, indem jene, die sonst als Braten oder Wurstplatte auf dem Tisch liegen, sich anschicken, sich an einem menschlichen Wesen, noch mit Pelle, gütlich zu tun. Aber keines der Tiere greift zu. Vor diesem Bild wird man Vegetarier.

Genug der grausamen Gedecke, es gibt auch durchaus Heiteres. Marianne Gielen setzt in ihr fröhliches Farbgewusel die gewollt zittrige Kontur eines Kruges und bietet es als altes Küchengeschirr an. Das Schönste, weil so bedachtsam in der Formgebung und so poesievoll in den Motiven ist der 17-teilige Fries von Heike Isenmann. Hier geht man mit den Augen von Tisch zu Tisch und erlebt, was Essen – oder auch Nicht-Essen – bewirkt. Und noch ein Bild ist nicht nur im Format herausragend: Gudrun Venters großes Stillleben in seiner farbigen Graustufen-Differenzierung und den sparsam gesetzten Farbsignalen.

So bleibt noch die Skulptur von der Schale aus silbriger Fischhaut von Sabine Drasen bis zur als „Tisch“ firmierten Betonburg von Anna Arnskötter und Ulf Schülers Hühnertorso als Heldendenkmal. Fast im Hinausgehen entdeckt man an schmaler Säule Matthias Mühles afrikanische Fotoserie „Leben und Überleben auf der Müllkippe“. Da wird Kunst zur erschütternden, aufrüttelnden Botschaft, die funktioniert, weil das entsetzliche Elend künstlerisch so überzeugend herüber gebracht wird!

Arno Neumann